Knapp ein Jahr ist es alt und nun steht fest: Der Nachwuchs bei den Zweifinger-Faultieren im Tierpark Hellabrunn ist ein Weibchen.
Bisher sehr gut durch das Muttertier abgeschirmt, bewegt sich „Wyona“ nun auch mal alleine durch den Faultier-Baum im Nashornhaus. Bei einem der ersten Ausflüge konnte eine Haarprobe zur Geschlechtsbestimmung entnommen werden. Bei den Zweifinger-Faultieren ist immer Geduld gefragt, bis man weiß, ob Jungtiere männlich oder weiblich sind. Eine Bestimmung des Geschlechts ist auf visueller Basis nicht möglich. Jetzt ist das junge Weibchen selbstständig unterwegs und die notwendige Probe konnte in ein Speziallabor eingesendet werden. Nach dem Ende der Stillzeit beginnt das junge Weibchen nun langsam, sich immer öfter ohne die Mutter alleine zwischen den Zweigen und Seilen zu bewegen.
Die Entdeckung der Langsamkeit
Zweifinger-Faultiere paaren sich ganzjährig. Bei einigen Populationen ist die Fortpflanzungszeit anhängig von den Jahreszeiten und beginnt am Anfang der Trockenzeit im tropischen Regenwald von Südamerika. Die Tragzeit beträgt zehn bis elf Monate und es wird in der Regel nur ein einzelnes Jungtier geboren. Dieses ist rund 21 bis 25 cm lang und wiegt bei der Geburt zwischen 360 und 450 Gramm. In den ersten Lebenswochen klammert es sich an den Bauch der Mutter und nimmt mit etwa fünf Wochen die erste feste Nahrung zu sich. Nach etwa fünf Monaten Stillzeit, wird der Nachwuchs in einem Zeitraum von zumeist sechs bis neun Monaten langsam selbstständig. Diese Phase variiert jedoch stark und kann mitunter auch bis zu zwei Jahre dauern.
In Hellabrunn ist das junge Weibchen der dritte Nachwuchs des Elternpaares. „Bislang wurde der Nachwuchs wirklich sehr gut behütet und von der Mutter vorbildlich versorgt. Jetzt ist das Jungtier auch selbstständig unterwegs und wir konnten die benötigte Haarprobe nehmen“, erläutert Carsten Zehrer, Zoologischer Leiter und Kurator des Tierparks Hellabrunn. „Wir freuen uns jetzt, dass das junge Weibchen in der nächsten Zeit noch aktiver als bisher unterwegs sein wird. Unsere Besucher haben vor allem am Vormittag und dem späten Nachmittag die Chance, unsere Faultier-Familie „in Aktion“ sehen zu können“, so Zehrer weiter.
Am Leben im Baum angepasst
Der Körper der Tiere ist an die hängende Lebensweise in den Ästen angepasst, was vor allem bei dem vom Bauch abwärts gescheitelten Fell sichtbar wird. Der Scheitel dient dazu Regenwasser besser abfließen zu lassen. Faultiere haben und benötigen weniger Muskelmasse als andere Säugetiere und sind dank eines sehr langsamen Stoffwechsels wahre Energiesparer. Sie bewegen sich sehr langsam und erreichen beim Hangeln in den Bäumen eine Geschwindigkeit von acht bis zehn Metern pro Minute.
Auch Vorstand und Tierparkdirektor Rasem Baban freut sich, dass das Geheimnis der Faultiere keines mehr ist: „Für uns steht immer an erster Stelle, dass der Nachwuchs sich gesund entwickelt und das konnten wir in den letzten Monaten sehr gut beobachten. Mutter und Kind waren im wahrsten Sinne des Wortes bisher unzertrennlich, was für uns immer ein sehr gutes Zeichen ist. Wir möchten mit der Faultier-Familie im Nashornhaus unsere Besucher darauf hinweisen, wie bedroht die Tiere durch die Abholzung und den Verlust des Lebensraums sind und haben mit Wyona eine Botschafterin mehr, um auf die prekäre Situation der Tiere in Südamerika hinzuweisen“, so Baban ergänzend.